Nehmat Hossaini

Nehmat Hossaini

* 31.05.1998 in Ghazni
† 03.01.2021 in Welzheim
Erstellt von Alisa Butschkau
Angelegt am 27.01.2021
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Kondolenzen (7)

Sie können das Kondolenzbuch nutzen, um den Angehörigen Ihr Beileid zu bekunden, Ihrer eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen oder um dem Verstorbenen einige letzte Worte des Abschieds mitzugeben.

Kondolenz

3. Januar 2022

13.01.2022 um 21:49 Uhr von Eduard
  • Wenn sie am Tage des Todes
    tief in die Erde mich senken,
    dass mein Herz dann noch auf Erden
    weile, darfst du nicht denken....
    Siehst meine Bahre du ziehen,
    lass‘ das Wort Trennung nicht hören,
    weil mir dann ewig ersehntes
    Treffen und Finden gehören!
    Klage nicht ‚Abschied, ach Abschied!‘
    wenn man ins Grab mich geleitet:
    Ist mir doch selige Ankunft
    hinter dem Vorhang bereitet.“

Maulana Dschelaleddin Rumi

Kondolenz

Mut, Freiheit, Licht

09.03.2021 um 07:40 Uhr von Eduard

Wir sind nicht hierhergekommen,
um einander gefangen zu nehmen,
sondern, um uns noch tiefer
der Freiheit und der Freude zu ergeben.

wir sind nicht in diese wunderbare Welt gekommen,
um uns fern der Liebe als Geiseln zu halten.
Lauf, mein Liebstes, lauf allen davon,
die spitze Messer in deine zarten Träume,
in dein edles, heiliges Herz stoßen wollen.

Uns ist es aufgegeben, uns mit den Stimmen
der inneren Berufung zu befreunden, die da
draußen vor dem Haus unserem Geist zurufen:
„Ach bitte, bitte komm heraus und spiel mit uns!“

Denn wir sind nicht hierhergekommen,
um einander gefangen zu nehmen
oder unsere wunderbaren Seelen einzuschließen,
sondern, um tiefer zu erleben,
was in uns göttlich ist:
Mut, Freiheit, Licht!

 

Shams-Du-Din-Muhammad Hafiz

Persischer Dichter
aus dem 14. Jahrhundert

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Lieber Nehmat! In dieser Welt wolltest oder konntest du nicht der werden,  der du werden solltest. Du hast dich gefangen nehmen lassen und dich nicht befreit von den Kräften, die dich beschädigt haben und bliebst deren Geisel, nicht die wunderbaren Möglichkeiten erkennend, die Gott dir eröffnet hat, umgeben von Menschen, die dir wirkliche Liebe schenkten. Die Liebe Gottes
wird dich aber immer umarmen und dich vollkommen werden lassen in der Welt, in der du nun bist und in der wir wieder für immer vereint sein werden. Das ist gewiss!

Kondolenz

Trauerfeier

06.03.2021 um 23:15 Uhr von Alisa Butschkau

Ich habe Nehmat im Frühjahr 2016 kennengelernt, nachdem er, zusammen mit drei anderen jungen geflüchteten Afghanen, in die Jugendwohngemeinschaft der Laufenmühle in Welzheim gezogen war. 

Ich war dort als einzige Mitarbeiterin für die 4 Jungs zuständig und es ging mir, 

wie wahrscheinlich vielen anderen im sozialen Bereich zu dieser Zeit. 

Ich hatte bis dahin noch nie mit Geflüchteten gearbeitet, ich hatte keine Ahnung wie Asylverfahren funktionieren, Afghanistan war ein fernes Land, über das ich nichts wusste und, noch dazu, hatte ich erstmals die Aufgabe, irgendwie einen Gruppenalltag von 4 Jungs zu organisieren, mit denen ich mich kaum verständigen konnte. 

Und ich war, wie gesagt, die einzige Mitarbeiterin der Einrichtung, die sich mit diesen Themen beschäftigt hat. Ich konnte also niemanden um Rat fragen. 

Sie können mir glauben, ich war oft überfordert. 

Die Jungs hatten Fragen, die ich nicht verstanden habe, sie haben sich gestritten und ich konnte ich nicht vermitteln, weil ich gar nicht wusste, worüber sie streiten und selbst, wenn sie versucht haben, es mir im Nachhinein zu erklären, habe ich wahrscheinlich nur einen Bruchteil davon verstanden. 



Nehmat hat mir in der Zeit ganz oft den Tag gerettet. 

Nehmat war derjenige, der Verantwortung übernommen hat. 

Nehmat war bereit, Aufgaben im Haushalt zu erledigen, wenn sich die anderen schon aus dem Staub gemacht hatten. 

Nehmat hat nie aufgehört, erklären und vermitteln zu wollen, 

er hat nie aufgehört, für Verständigung sorgen zu wollen und hat dafür von Anfang an beharrlich deutsche Wörter gelernt, mit einem kleinen Wörterbuch Persisch - Deutsch. 

Nehmat war neugierig und wissbegierig und er hatte einen Riesenspaß daran, mir persische Worte beizubringen und zu hören, wie fürchterlich meine Aussprache war.

Er ist mir immer auf Augenhöhe begegnet. 

Er war für mich immer so ein Mensch, den man einfach gerne um sich hat. 

Nehmat hat mein Leben reicher gemacht und ich bin dankbar, dass ich ihn ein Stück auf seinem Weg hier begleiten durfte. 

 

Kondolenz

Tage voller Rätsel

06.03.2021 um 07:26 Uhr von Eduard

Weihnachten 2020 ist vorbei. Am ersten Weihnachtstag kamen deine alten Weggefährten und Bekannten zum Abendessen. Ich hatte bei mir oben den großen Raum im Dachgeschoss zusammen mit Renate hergerichtet. Etwas Weihnachtsdeko, Teller und Gläser standen bereit. Du hast in meiner Küche Lammfleisch und Reis gekocht. Ich habe das lieber dir überlassen – dem Spezialisten für Reis. Auch den Salat konntest du besser machen. Lamm sollte es diesmal sein. Du hattest es extra besorgt. Ein gemütliches Beisammensein. „Kevin allein New York“ haben wir angeschaut. – Heute ist Sonntag, gestern haben wir die Reste von Weihnachten aufgegessen, dann bist du wieder nach Schorndorf gefahren. Trainieren im Park. Auch heute möchtest du nach dem Mittagessen dorthin. „Das Leben ist schwierig“, sagst du. „Warum?“, frage ich, 'gibt es etwas, das dich bedrückt?' - „Schau, man kann ein Problem von dieser oder jener Perspektive aus ansehen und dann sieht alles schon ganz anders aus“. Du schaust mich fragend an. Aber wie von dir gewohnt, verstummst du und sagst nichts. Immer nur leichte Andeutungen, dass da etwas ist. Ich denke, es ist schwierig allein in der Wohnung, nachdem dein Freund mit seiner Freundin zusammengezogen ist. Ist es das? Ich bin mir nicht sicher. Deshalb bin ich abends oft bei dir. Ich nehme mir vor, nach einer Lösung zu suchen. Diese seltsamen Corona-Zeiten kommen hinzu. Wir sind alle gestresst und sitzen viel alleine zuhause herum. Dein geliebtes Fitnesscenter ist zu. Bleibt nur das Training an den öffentlich zugänglichen Geräten im Park. Dort triffst du am Nachmittag deinen Freund M. – wie meistens. Ich bin am Abend wieder bei dir, um nach dir zu sehen. Du kommst – du bringst M. mit. Er wird bei dir übernachten. Ich besorge euch Pizza und lasse euch alleine. Junge Leute haben sich viel zu erzählen. Ich verstehe eh nichts. Am nächsten Morgen ist M. noch da. Sympathisch, nett - ich bin froh, dass er dein Freund ist. Wir essen zusammen, dann fährst du wieder mit deinem Auto nach Schorndorf zum Trainieren in den Park. Du wirst heute bei M. übernachten. Wieder stundenlang quatschen, Videos anschauen. Du zeigst ihm ein Bild von einem Mädchen, das dir dein Bruder geschickt hat. „Sie sieht ganz gut aus, meinst du nicht?“. Am nächsten Tag bist du noch immer bei M. – Wo bist du nur? Es ist Zeit zum Mittagessen? – Du rufst mich am Nachmittag an: 'Ich bleibe auch heute noch bei M.' – Gut denke ich. Dann ist die Feststellung „das Leben ist schwierig“ wohl passé! Mittwoch weißt du noch nicht, was du tun willst. Ich soll erst wieder am Wochenende kommen. Donnerstag ist Silvester. Du möchtest den Abend alleine verbringen. Ausgangssperre wegen Corona  – wir haben schwierige Zeiten! Letztes Jahr hatten wir noch ein Feuerwerk - schade! Am Samstag komme ich zu dir. Du liegst noch im Bett. „Du, ich habe eine Idee', sage ich. Du hast doch diese beiden Freunde Ho.. und Hu.. , mit denen du im September einige Tage in Frankfurt warst. Ich denke, Ho… würde gut zu dir passen, der könnte doch bei dir einziehen, dann bist du nicht mehr alleine in der Wohnung. Du überlegst kurz und findest dann auch, dass sei eine gute Idee. „Aber Ho… sollte sich hier nochmal genau alles anschauen, bevor er sich entscheidet“. Ich erwidere: „Die beiden, Ho.. und Hu… haben doch schon oft hier übernachtet, meinst du, dass das nötig ist?“ Du sagst: „Ja, das ist nötig.“ – Am Mittagstisch hast noch eine Frage: „Können wir nächste Woche irgendwohin fahren? Dieser überlange Corona-Weihnachtsurlaub ist so langweilig.“ – Ich frage: „Wohin möchtest du?“ – „Hamburg“ ist die Antwort. – „In der Jahreszeit nach Hamburg?“, wende ich ein. „Ja, aber ich will doch dort Freunde besuchen“. – „Ok, das ist natürlich in Ordnung. Ruf die an, frag ob du kommen kannst und ich besorge dir ein Ticket.“ – Wie ich später erfahre, hast du angerufen. Dein Hamburger Cousin war zuerst erstaunt, dass du dich nach so langer Zeit wieder meldest, dann aber hat er gesagt, dass du kommen sollst. – 'Nachmittags fährst du wieder zum Park zum Trainieren? Schon wieder wegfahren?“ frage ich dich. Ich mag das eigentlich nicht! Ich weiß natürlich den Grund. Du willst zusammen mit M. trainieren und nicht alleine. Nach dem Training im Park holst du dann Ho.. und Hu.. von ihrer Wohnung ab und bringst sie zu dir nach Hause. Am Abend kochst du für die beiden und ihr habt zusammen einen gemütlichen Abend. Karten spielen, Video anschauen – wie schon oft zuvor. – Es ist jetzt Sonntag der 3. Januar 2021. Ich komme, weil wir am Wochenende immer gemeinsam essen, das ist Tradition.. Du kümmerst dich um deine Gäste, die bei dir übernachtet haben. „Hast du Ho.. gefragt, ob er hier einziehen will?“ frage ich dich.  – Du bist etwas aufgedreht, wie immer, wenn du mit Freunden zusammen bist. „Was soll ich gefragt haben?“ alberst du herum.  – Wohl nicht der richtige Zeitpunkt, ernsthaft mit dir zu sprechen. Beim Mittagessen haben alle wenig Appetit. War wohl gestern Abend ein sehr ausgiebiges Abendessen. Später sagen Ho.. und Hu.. du warst etwas ruhig, hast schlecht geschlafen. Ein Anruf aus der Heimat! Wegen der Zeitverschiebung zu nachschlafender Zeit. Nach dem Essen schaut ihr Fußball im Fernsehen. Ein wichtiges Spiel wird übertragen. Ich räume die Küche auf. – Ich sehe dich kurz vor 13.30 Uhr noch, als du ins Wohnzimmer zu den anderen gehst. „Ich gehe jetzt spazieren“, sage ich.' Heute Abend bin ich aber wieder da.'  Du lachst mich an und sagst „Ok“ und verschwindest im Wohnzimmer. – Ich gehe und kurz vor 14.30 Uhr fährst du die beiden zurück nach Schorndorf. Sie wohnen mit anderen zusammen in einer Wohngruppe, da kannst du leider nicht mit hinein. Corona!  - Du sagst, dass du nach Hause fährst. – Du fährst aber hinunter zum Fluss und parkst beim Sportstadion. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Radweg. Ein beliebter Ort für Spaziergänger. – Kurz nach 15 Uhr wird der Alarm ausgelöst. Notarzt Polizei!

Kurz nach 18 Uhr klingelt mein Handy. Kriminalpolizei! Was wollen die? „Nehmat Hossaini“ ist verstorben. – In der Zeitung steht am übernächsten Tag: Verletzte Person aufgefunden, Fremdverschulden wird ausgeschlossen.

 

…. Lauter Fragen

…. Erklärungen suchen

…. Ein Rätsel

Kondolenz

Trauerfeier am 5. März 2021 um 13 Uhr in der Robert-Mayer-Schule in Stuttgart

05.03.2021 um 17:12 Uhr von Eduard

Mein lieber Nehmat ! Dein Lachen, deine strahlenden Augen haben mein Leben erleuchtet. Wo du warst, war Licht. Ich solle nicht so viel mit dir angeben, hast du mir immer gesagt.

Ja, ich war stolz auf dich. Auf deine Anmut, deine Zuverlässigkeit, deine Ernsthaftigkeit, deine sportlichen Fähigkeiten und dein handwerkliches Geschick. Gewalt hast du verabscheut, entsprechende Filme wolltest du nicht sehen. Unfreiheit und Zwang waren fürd dich unerträglich. Ein Bettler sitzt am Straßenrand, du konntest nicht vorbeigehen, ohne etwas zu geben. Anderen zu helfen, ohne darum gebeten zu werden war für dich selbstverständlich. Für mich waren Aufrichtigkeit, Feinfühligkeit und Zielstrebigkeit, etwas, das einfach zu dir gehörte. Du warst für mich ohne den leisesten Zweifel der ideale Sohn – makellos. Mein schöner Strahlemann!

Da war aber auch etwas Verborgenes, Unausgesprochenes, das dich begleitet und schließlich eingeholt hat, was erst nach deinem Tod offenbar wurde und nachträglich einiges erklärte.  Die Verwurzelung und die emotionale Bindung an deine Familie und der traditionellen Verhaltensregeln deines Heimatlands war in deinem Herzen so stark, trotz aller negativen, krankmachenden Erfahrungen, dass wenig Raum für anderes blieb – für die Liebe, die ich und andere dir gegeben haben. Diese Liebe konnte dir nicht die Kraft geben, dich von deiner belastenden Vergangenheit vollständig zu lösen, heil zu werden und dir eine neue, gute Zukunft aufzubauen. - Sie zu erwidern viel dir schwer! Viel zu oft war es dir wichtig, dich zurückzuziehen und niemand an dich heran zu lassen. Dich in deinem Innersten zu erreichen, blieb mir leider trotz aller Bemühung, schmerzlich versagt.

Offenheit und tiefes Vertrauen konnten so nicht entstehen.  Du warst mit deinen Problemen, von denen bis heute niemand weiß, was das eigentlich war, schrecklich alleine und wolltest dies leider auch sein. Waren es die Probleme mit deiner Familie, war es etwas anderes, war es etwas, das nur in deinem Kopf existent war? Niemand weiß es, auch nicht deine langjährigen Bekannten und Freunde! Du fühltest dich stark um alleine damit fertig zu werden, aber du warst es nicht.

War diese Liebe deshalb vergeblich, weil ich nun vor den Scherbenhaufen deines Lebens – und stückweise auch meines - stehe? Gibt es etwas zu bereuen? Ich denke nicht! Wenn einer um die Vergeblichkeit einseitiger Liebe weiß, dann ist es Gott selbst, der dich sicher in dieses Land geführt hatte und, gleich uns, ohnmächtig, fragend und traurig auf dich blickt. Eine Liebe, die dich stets umhüllt.

Welchen Sinn hatte dieser nur wenige Jahre währende gemeinsame Weg mit dir? War alles vergeblich? Alle Freude, wenn ein Schritt nach vorne gelang, alles Hoffen, wenn es Rückschläge gab, all die glücklichen Momente, die wir gemeinsam und mit deinen Freunden hatten?

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenn ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.  Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Nehmat, die Liebe für dich bleibt! Sie hat kein Ende! – Nehmat, „Khoda hafez“ – auf baldiges Wiedersehen!

Dein 'Vater' und Freund Eduard

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